Lutz Rathenow

geboren 1952 in Jena

Da steht er, mit verschränkten Armen und einem Blick, in dem der Schalk die Satire jagt. Dahinter Bücher und der Blätterwald. Dieses Blätterchaos braucht er wie andere die Luft zum Atmen. Immer greift er in seinen Blätterwald und hilft bereitwillig den Journalisten, wenn es um Aufklärung geht, um DDR-Vergangenheit oder Auswirkungen der DDR in die heutige Zeit. Er pflegt die Kontakte zu Journalisten, zur Öffentlichkeit, wohl wissend, dass diese Kontakte ihm auch so manches in seinem DDR-Leben erspart haben. Und nicht nur ihm.

Als Student gründete Lutz Rathenow den oppositionellen Arbeitskreis Literatur und Lyrik Jena. Der wurde 1975 verboten, stattdessen begannen die Stasi-Offiziere an einem neuen Werk zu schreiben, dem „OV Pegasus“, der etwas anderen Biografie des Lutz Rathenow. Dieser wollte Lehrer für Deutsch und Geschichte werden. Doch im Zusammenhang mit der Biermann-Ausbürgerung wurde er nicht nur verhaftet, sondern auch aus der Universität ausgebürgert, d. h. exmatrikuliert.

Als sein Buch Mit dem Schlimmsten wurde schon gerechnet 1980 in der Bundesrepublik erschien, wurde der 28-jährige, mittlerweile in Ost-Berlin lebende Schriftsteller erneut verhaftet, landete im berüchtigten Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen. Eine breite Öffentlichkeit im Westen protestierte dagegen und sorgte dafür, dass Lutz Rathenow nach zehn Tagen wieder entlassen wurde. Damit hatte Lutz Rathenow die Schwachstelle der DDR erkannt – und pflegte sie gut. Seine engen Kontakte, u. a. zu Jürgen Fuchs in West-Berlin, setzte er auch für andere ein, z. B. für seine Jenaer Freunde. Seine Briefe und Artikel führten zu Protestaktionen und Solidaritätskundgebungen im Westen. Er hatte das Spiel durchschaut und hatte Spaß am Opponieren.

Er war im März 1989 zum Lyrik-Wettbewerb um den Leonce-und-Lena-Preis nach Darmstadt eingeladen worden. Von den DDR-Behörden wurde jedoch nur Kurt Drawert und Rainer Schedlinski (ein IM mit einem festen monatlichen Agentenhonorar) die Teilnahme gewährt. Beide erhielten auch Preise.

Lutz Rathenow ließ sich von solchen Dingen niemals beirren. Er wusste im Vorfeld der Friedlichen Revolution genau, welche Informationen und Aktionen wichtig waren. Er hatte die Drähte zu Westjournalisten, zu Botschaftsangehörigen, zu den Freunden im Westen. Und gezielt informierte er den Westen über den Zustand in der DDR, und der Westen informierte wiederum die DDR-Bürger. Und die Informationen über diesen Zustand trieben die Bürger entweder außer Landes oder auf die Straße.

Ab Mai 2011 ist er Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Helmuth Frauendorfer

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