Michael Heinisch

geboren 1964 in Frankfurt (Oder)

Michael Heinisch ist ein Mensch, der Konfrontation nicht scheut. Manche nennen den streitbaren Sozialdiakon auch stur. Aufgewachsen als Sohn eines Pfarrers und einer Kantorin in Frankfurt (Oder), lernte Heinisch früh, was Nicht-Dazugehören heißt. Nicht bei den Pionieren, nicht in der FDJ, sein Nein zur Musterung kostete ihn das Abitur. Weil er den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ an der Jacke trug, geriet er Anfang der 1980er Jahre erstmals mit Polizei und Stasi in Konflikt.

In der Jungen Gemeinde traf er Gleichgesinnte, die sich wie er am Rand der DDR-Gesellschaft sahen. 1983 begann der gelernte Reichsbahn-Elektriker eine sozialdiakonische Ausbildung in Berlin-Weißensee. Abends half er im Freizeitklub der Erlösergemeinde Lichtenberg, damals schon ein beliebter Treffpunkt von Punks und Skins. „Mit Bibelsprüchen kam ich da nicht weit.“ Die radikale Absage der Jugendlichen an die verordnete DDR beeindruckte ihn: „Ohne sie wäre ich nie in die Opposition gegangen.“

Michael Heinisch verweigerte den Wehrdienst gänzlich, was in der DDR nicht gestattet war, und riskierte damit bis zu zwei Jahre Haft. Er nahm Kontakt zum Freundeskreis der Wehrdiensttotalverweigerer auf, wurde in verschiedenen Friedensgruppen aktiv. Als die Kirchenzeitung 1988 aus Protest gegen die Zensur mit weißen Flächen erschien, ging er zum ersten Mal auf die Straße.

Am 7. Mai 1989 war er Mitinitiator der Wahlkontrollen. Empört darüber, dass sich die Wahlergebnisse als manipuliert herausstellten, beschloss eine kleine Gruppe, die sich „mündige Bürger“ nannte, vier Wochen später gemeinsam vor das Staatsratsgebäude zu ziehen. Es war der Auftakt für Aktionen, die künftig an jedem 7. des Monats in Berlin stattfinden sollten. Die Demonstration endete, wo sie begonnen hatte – an der Sophienkirche. Die Sicherheitskräfte schlugen rabiat zu, Heinisch verbrachte eine Nacht im Knast. Es sollte noch schlimmer kommen: Im Juni knüppelte ihn die Polizei krankenhausreif bei dem Versuch, der chinesischen Botschaft eine Protestnote gegen das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens zu übergeben. Noch vom Krankenbett aus organisierte er ein Trommelfasten für China in der Erlöserkirche.

Als die Mauer fiel, nutzten viele Jugendliche die neuen Möglichkeiten. In der Offenen Jugendarbeit blieben oft jene zurück, die „keine Idee oder eine kriminelle Vergangenheit“ hatten. „Das waren größtenteils Skins“, erinnert sich Heinisch. Einige schlossen sich den Neonazis an, die sich in der Nachbarschaft der Erlösergemeinde formierten. Heinisch war trotzdem für sie da. 1990 gründete er einen Verein, kaufte einen maroden Altbau und startet ein Hausprojekt. Die Jugendlichen sollten Arbeit, ein Dach über dem Kopf und eine Zukunftsperspektive finden. Das Jugendprojekt wurde angefeindet. West-Berliner Sozialarbeiter liefen Sturm, Heinisch bezog wieder Prügel, diesmal von linken Hausbesetzern.

Das Hausprojekt wurde dennoch ein Erfolg. Sein damals gegründeter Verein hat heute 300 Mitarbeiter und kümmert sich um 3.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Osten Berlins. „Dafür“, sagt Heinisch, „hat es sich gelohnt.“

Ilona Schäkel

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