Gerd Poppe
geboren 1941 in Rostock
Gerd Poppe ist einer der Veteranen und Vordenker der DDR-Opposition. Nachdem er bis 1964 in Rostock Physik studiert hatte, gehörte er ab 1965 zum Milieu der Berliner Subkultur und prägte diese entscheidend mit. Hier entstand eine oppositionelle Bewegung, die sich bis zum Ende der DDR immer breiter auffächerte. Die Attraktivität und Vielfalt Ost-Berlins in der unmittelbaren Nachbarschaft West-Berlins machten den Prenzlauer Berg zum Zentrum der wachsenden Opposition.
Poppe suchte Kontakt ins östliche Ausland, besonders in die Tschechoslowakei zu den Protagonisten der Charta 77. Sie prägten seit 1968 sein politisches Weltbild mit. Wegen seines Protests gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns konnte Gerd Poppe 1976 eine bereits zugesagte Stelle an der Akademie der Wissenschaften nicht antreten. Er erhielt faktisch Berufsverbot und arbeitete fortan als Maschinist in Berliner Schwimmhallen. 1984 bekam er eine Stelle als Ingenieur im Projektierungsbüro des Diakonischen Werks, wo er bis Ende 1989 blieb.
Gerd Poppe gehörte zu den Aktivisten der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR und zu jenen, die aus einer atheistischen Grundhaltung das Bündnis mit Christen und der Kirche suchten. Seit dieser Zeit unterhielt er enge Kontakte zu einer Reihe von Abgeordneten der Grünen in der Bundesrepublik, voran Petra Kelly. Als Mitbegründer der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) Ende 1985 vertrat er die Unabhängigkeit der sich entwickelnden Opposition von der Kirche. In der IFM entwickelte er das Konzept der Menschenrechtspolitik als Kern der Kritik am realen Sozialismus und prägte damit einen der wesentlichen Flügel der DDR-Opposition. Poppe plädierte für öffentliche Artikulation von Kritik und für die Inanspruchnahme von Menschenrechten, ungeachtet ihrer Verweigerung durch den Staat. Er war Mitherausgeber und Autor mehrerer illegaler politischer Publikationen und veranstaltete jahrelang Lesungen nicht publizierter Schriftsteller in seiner Wohnung.
Als eine der zentralen Figuren der DDR-Opposition der 1980er Jahre vertrat Gerd Poppe von Dezember 1989 bis März 1990 die IFM am Zentralen Runden Tisch und engagierte sich besonders für die Erarbeitung einer neuen Verfassung der DDR und später des vereinigten Deutschlands. Im März 1990 wurde er Abgeordneter der Volkskammerfraktion von Bündnis 90. Er gehörte zu den Protagonisten der Parteibildung und der späteren Fusion von Bündnis 90 mit den Grünen.
1990 bis 1998 war Poppe Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen, danach bis 2003 Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechte. Er ist Mitinitiator der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und seit ihrer Gründung Mitglied des Vorstandes.
Reinhard Weißhuhn