Wolfgang Templin

geboren 1948 in Jena

Als einer der langjährigen und aktivsten Angehörigen der sich entwickelnden Opposition gehörte Wolfgang Templin seit Ende der 1970er Jahre zu den gefährlichsten Feinden in den Augen des Staates.

Nach Abitur und Lehre studierte Templin ab 1970 in Berlin Philosophie und trat in die SED ein. Überzeugt von der Idee des Sozialismus, versuchte er seine Kritik an der Realität durch Engagement innerhalb der Partei umzusetzen. Dazu gehörte auch seine Tätigkeit von 1973 bis 1975 als IM für das MfS. Ende 1975 erkannte Templin die menschenfeindliche Erstarrung des bürokratischen Staates, dem er sich verschrieben hatte, und enttarnte sich vor seinen politischen Freunden. Zugleich beteiligte er sich an illegalen trotzkistischen Studentenzirkeln.

Der Weg vom gläubigen Kommunisten zum demokratischen Oppositionellen war weit. Von 1976 bis 1977 hielt er sich zu Studienzwecken in Warschau auf. Dort baute er Kontakte zur polnischen Opposition auf, darunter dem Komitee zur Verteidigung der Arbeiter. Seitdem hielt er trotz späteren Reiseverbots Verbindung zur intellektuellen und gewerkschaftlichen Opposition in Polen. Zurück in Berlin arbeitete er bis 1983 am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften, engagierte sich jedoch währenddessen zugleich in der entstehenden unabhängigen Friedensbewegung. 1983 trat er aus der SED aus. Templin erhielt Berufsverbot und arbeitete seitdem als Putzhilfe, Waldarbeiter und Heizer. Ende 1985 gründete er die Initiative Frieden und Menschenrechte mit. Ab Ende 1987 suchte er Kontakt zu der sich organisierenden Bewegung von Antragstellern auf Ausreise aus der DDR, weil er sie als Partner für den Widerstand gegen die SED sah. Damit löste er eine harte Kontroverse innerhalb der oppositionellen Gruppen aus. Denn das Verhältnis zu den Antragstellern war unter denen, die dableiben und Widerstand leisten wollten, hoch umstritten.

Seine Selbstenttarnung als IM und sein Parteiaustritt hatten Wolfgang Templin den Hass der SED und des MfS eingetragen. Noch mehr verübelten sie ihm seine Kontakte in den Westen und dass er sich in Westmedien offen und kritisch über die DDR äußerte. Ende Januar 1988 wurde er mit seiner Frau Regina verhaftet und nach wenigen Wochen ohne Verhandlung und Urteil zu einem befristeten Exil in der Bundesrepublik gezwungen. Von dort aus hielt er Kontakte zu Oppositionellen in anderen Ostblockländern und berichtete darüber seinen Freunden in der DDR.

Unmittelbar nach dem Fall der Mauer kehrte Wolfgang Templin in die DDR zurück und nahm als Vertreter der Initiative Frieden und Menschenrechte zwischen Dezember 1989 und März 1990 am Zentralen Runden Tisch teil. Nach der Volkskammerwahl wurde er Mitarbeiter der Fraktion Bündnis 90. 1991 gehörte er zu den Gründern der Partei Bündnis 90, trat jedoch 1993 nach der Vereinigung mit den Grünen wieder aus. Parteidisziplin empfand er als unannehmbare Fessel.

Wolfgang Templin leitet seit 2010 das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau.

Reinhard Weißhuhn

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