Judith Braband
geboren 1949 in Barth
Judith Braband reflektiert das eigene Tun, auch wenn dies ein schmerzlicher Prozess ist. Zur Hochform läuft sie auf, wenn etwas angeblich nicht möglich ist. Vielleicht wurde sie auch deshalb eine überzeugte Sozialistin. Die Eltern, beide in der SED, vermittelten ihr, dass der Weg zum Sozialismus lang und mühsam sei. Der Vater, der sie in den ersten Lebensjahren wie einen Jungen behandelte, brachte ihr bei, wie man Probleme löst: „Das muss gehen. Das ist nur verklemmt.“
Mit 17 verpflichtete sich Judith Braband, in die SED einzutreten. „Ich wollte rein in den Kessel, mitmachen, es besser machen.“ Vom Studium flog sie, in der Produktion, wo sie sich bewähren sollte, eckte sie auch an. Sie war eine unbequeme Genossin, eine, die auf Missstände hinwies und deren Beseitigung forderte.
1971 trat die Staatssicherheit an sie heran, und Judith Braband war überzeugt, im Kampf gegen „Staatsfeinde“ ihren Beitrag leisten zu müssen, auch Menschen zu verraten, die aus der DDR fliehen wollten. „Einfach abzuhauen fand ich feige.“
Als die DDR 1975 die KSZE-Schlussakte unterzeichnete, studierte sie aufmerksam die Dokumente. Die Erkenntnis glich einem Schock. „Kein Staat der Welt hat das Recht, Menschen festzuhalten.“ Die Stasi schrieb dazu: „Die Genossin hat große Probleme.“ Judith Braband schaffte es, beim MfS auszusteigen.
Ab 1977 arbeitete sie freiberuflich als Designerin, u. a. für die Zeitschrift Sibylle. In illegalen politischen Zirkeln analysierte sie die Gesellschaft: Wozu eine Armee? Einen Geheimdienst? Warum klappt es mit der Gleichstellung der Frau nicht? Was kann der Einzelne tun?
Nach dem Ausschluss kritischer Autoren aus dem Schriftstellerverband 1979 verfasste sie mit Freunden einen Brief an Erich Honecker, in dem dieses Vorgehen verurteilt und als symptomatisch für den Umgang mit Andersdenkenden in der DDR angeprangert wurde, und suchte Mitunterzeichner. Bei ihrer Verhaftung warf man ihr „landesverräterische Agententätigkeit“ vor, da die kleine Gruppe auch Kontakte zu West-Linken hatte. Judith Braband trat daraufhin aus der SED aus. 1980 wurde sie zusammen mit Thomas Klein wegen „ungesetzlicher Verbindungsaufnahme“ zu neun Monaten Haft verurteilt.
Ab Mitte der 1980er Jahre wurden im Souterrain ihres Ateliers Untergrundschriften produziert. Westdeutsche Freunde hatten einen Computer in die DDR geschmuggelt. Zu Hause war Judith Braband in der Vereinigten Linken, wurde 1989 deren erste Geschäftsführerin und Vertreterin am Zentralen Runden Tisch. Endlich gab es die Möglichkeit, etwas besser zu machen, eine neue Gesellschaft auf den Weg zu bringen. Nach Diskussionen um ihre Stasi-Mitarbeit, die sie selbst öffentlich machte, gab sie 1992 ihr Bundestagsmandat zurück und arbeitet seitdem für Kulturvereine und die Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte. Judith Braband wird da aktiv, wo sie glaubt, etwas ändern zu können. Nur im Namen einer Ideologie will sie das nie wieder tun.
Nanette Hojdyssek