Rainer Eppelmann
geboren 1943 in Berlin
Lockerlassen ist nie seine Sache gewesen. Wann immer Rainer Eppelmann sich wirklich sicher war, blieb er der einmal getroffenen Entscheidung kompromisslos treu. Er war in den sechziger Jahren Waffendienstverweigerer, saß in Neustrelitz und dem Militärstraflager Uckermünde acht Monate lang ein. In den Siebzigern wirkte er als oppositioneller Jugendpfarrer in Berlin und stieg in den Achtzigern zum Staatsfeind Nr. 1 auf. 1990 wurde er zuerst Minister ohne Geschäftsbereich im letzten DDR-Kabinett unter einem SED-Regierungschef, anschließend der bis heute einzige Abrüstungsminister der Welt, in den 1990er Jahren dann ein prominenter Sozialpolitiker, im neuen Jahrtausend der wichtigste Vorkämpfer der Aufarbeitung des SED-Unrechts.
Seit 1979 pilgerten junge Leute zu den Bluesmessen des Kreisjugendpfarrers Eppelmann in die Friedrichshainer Samariterkirche. In den Gottesdiensten mit Bluesmusik drückte sich ihr Widerwillen gegen die Bevormundung durch den sozialistischen Staat aus. Nur die Kirche, die einzige relativ eigenständige Institution in der DDR, konnte einen solchen Freiraum anbieten. So wurden die Bluesmessen zu Keimzellen einer Freiheits- und Friedensbewegung und damit einer breiten Opposition in Ostdeutschland. Noch mehr reizte Eppelmann den Staat, als er mit dem unorthodoxen Kommunisten Robert Havemann 1982 den Berliner Appell verfasste. Für die SED-Politbürokraten war dieses Bekenntnis gegen die offene Militarisierung der DDR-Gesellschaft eine Kampfansage. Erich Honecker ordnete an: „Durch die zuständigen Organe wird der Rädelsführer, ein gewisser Eppelmann, festgenommen wegen 1. Organisierung einer Unterschriftensammlung, 2. Schaffung einer illegalen Organisation, 3. Zusammenarbeit mit DDR-feindlichen Kräften im Ausland, 4. DDR-feindlicher Hetze im Ausland, 5. antisowjetischer Hetze.“
Doch die öffentliche, also westliche Aufmerksamkeit brachte ihn nach wenigen Tagen Stasi-Haft zurück auf freien Fuß. Fortan war er ein Hauptobjekt der Stasi; von der „Zersetzung“ bis hin zu Mordplänen reichten ihre Überlegungen, um den unnachgiebigen Pfarrer mundtot zu machen. Es gelang ihnen aber nicht, Eppelmann blieb einer der prominentesten Kritiker des SED-Regimes. Als die Revolution im Sommer 1989 Fahrt aufnahm, gehörte er zu den Mitbegründern des Demokratischen Aufbruchs, wurde schließlich sogar zu dessen Vorsitzendem gewählt. Als am späten Abend des 9. November 1989 die Mauer fiel, stand Eppelmann in der ersten Reihe an der Grenzkontrollstelle Bornholmer Straße – und ging doch in dieser Nacht der Nächte nicht in den Westen. Er blieb, denn er fühlte sich der Friedlichen Revolution verpflichtet. Das ist bis heute so. Als ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sitzt Eppelmann an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, zwischen Geld und Engagement.
Sven Felix Kellerhoff