Die Dauerausstellung „Revolution und Mauerfall“ knüpft an die erfolgreiche temporäre Open-Air-Ausstellung „Friedliche Revolution 1989/90“ an, die erstmals 2009 auf dem Berliner Alexanderplatz zu sehen war. Schon damals gehörte die freiberufliche Ausstellungsmacherin Stefanie Wahl zum Kuratorenteam. Heute betreut sie den Neuaufbau der Schau im Innenhof der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg. Im Gespräch mit Eckhard Gruber verrät sie, was die Besucher ab dem Sommer auf dem Gelände erwartet.

Frau Wahl, als Ausstellungsmacherin beschäftigen Sie sich seit vielen Jahren mit der DDR-Geschichte. Wie kam es dazu?

Ich bin ja in der DDR geboren, insofern gehört sie zu meinem Leben. In Hamburg habe ich studiert, da war die DDR kein Thema. Als dann nach dem Studium jemand auf mich zukam und ein Buch zum 17. Juni schreiben wollte, hatte ich die Idee, eine Ausstellung zu machen. Ausstellungen waren schon damals mein bevorzugtes Medium. Wir alle haben dann extrem engagiert gearbeitet, es ist eine sehr große Ausstellung in Bitterfeld geworden. Bitterfeld war eines der Zentren des Volksaufstands, das war 2002 noch wenig bekannt. Rückschauend würde ich sagen, das war so etwas wie eine Feuertaufe. Die Leidenschaft fürs Kuratieren ist geblieben.


Sie haben maßgeblich an der Ausstellung „Friedliche Revolution 1989/90“ mitgewirkt. Das jetzige Projekt geht auf diese Ausstellung zurück, die zwei Millionen Besucher sahen. Was wurde gegenüber der Ausstellung von 2009/10 verändert?

Zuerst einmal ist es jetzt eine andere Situation. Wir hatten auf dem Alexanderplatz einen sehr offenen Platz, täglich steigen dort Massen von Menschen um. In Lichtenberg dagegen haben wir mit dem Innenhof einen fast abgeschlossenen Ort, haben dann aber eine konzentriertere Atmosphäre.
Gleich geblieben ist, dass die Besucher einen Parcours vorfinden, den sie ablaufen können: Es gibt also einen Anfang und ein Ende. Gleichzeitig ist die Ausstellung aber so gestaltet, dass man bei jedem Kapitel einsteigen kann, ohne das Vorherige gelesen zu haben. Zudem muss die Ausstellung aus verschiedenen Richtungen funktionieren: für alle, die von der U-Bahn und von der Ruschestraße kommen, wie für die Besucher des Stasi-Museums, das sich auf dem Gelände befindet. Daher braucht es mehrere Punkte, um in die Erzählung einsteigen zu können.


Das Stasi-Museum ist nur wenige Schritte von der Ausstellung entfernt im Haus 1, dem ehemaligen Dienstsitz des Stasi-Chefs Erich Mielke, untergebracht. Welche Reihenfolge sollte man beim Besuch beider Ausstellungen beachten?

Das ist den Besuchern selbst überlassen. Sie können sagen, mich interessiert zunächst, wie dieser Machtapparat funktioniert hat und sich dann anschauen, wie die Revolutionäre im Herbst 1989 die Diktatur beseitigt haben. Oder Sie machen es genau anders herum: Beide Ausstellungen ergänzen und vertiefen sich wechselseitig, es funktioniert beides.


Revolutionen werden von Menschen gemacht. Die Schicksale sind konkret, die Entwicklungstendenzen – wie wirtschaftlicher Niedergang, Reformstau, Unterdrückung – allgemeiner im System begründet. Wie erzählen Sie Revolution?

Die Erzählstruktur der Ausstellung selbst macht sich nicht an Biografien fest. Vielmehr haben wir eine akteursgetragene Perspektive auf die Friedliche Revolution eingenommen. Was Sie auf den Tafeln wahrnehmen, ist keine individuelle Sicht der Dinge, orientiert sich aber an den Ansichten und Absichten der Revolutionäre in den 1980er-Jahren. Gleichwohl kommen individuelle Sichtweisen in den neun Medienstationen, aber auch in den „Zeitzeugeninseln“ zu Wort.


„Zeitzeugeninseln?“

Ja. Wir arbeiten an einem neuen Modul für die Ausstellung. Es soll die Möglichkeit geben, mit einzelnen Akteuren durch diese Zeit zu gehen. Wir erhoffen uns, dass sich durch die ganz persönlichen Perspektiven neue, überraschende Aspekte ergeben. „Zeitzeugeninseln“ ist ein Arbeitstitel, aber er beschreibt ganz gut, wie es funktionieren soll: Wir wollen Sitzgelegenheiten in der Ausstellung schaffen und diese mit Medienstationen ausstatten, an denen Zeitzeugen ihre Erinnerungen schildern werden.


Inwiefern berücksichtigen Sie ein junges Publikum, das weder die DDR noch die Friedliche Revolution erlebt hat?

Die Ausstellung kann weitgehend voraussetzungslos rezipiert werden. Das heißt, dass Besucher die Texte verstehen können, ohne vorher zehn Bücher über die DDR gelesen zu haben. Sie ist zudem durchgängig zweisprachig gehalten, denn das Interesse ausländischer Besucher an den Ereignissen 1989/90 ist groß.


Wenn man auf dem Stasi-Geländes steht, wird man fast vom umgebenden Grau der Häuser erschlagen. Ist die starke Farbigkeit, wie sie in den Entwürfen zu sehen ist, Programm?

Ja. In Form und Farbe bildet die Ausstellung einen Kontrapunkt zum Innenhof und den Gebäuden. Das Gelände war ein Täterort, ein Ort der Repression. Mit den Ereignissen von 1990, als hier Tausende die Stasi-Zentrale besetzten, ist das Gelände aber zugleich ein wichtiger Ort der Friedlichen Revolution geworden. Die Ausstellung stärkt dieses konträre Moment. Das wird auch durch die Gestaltung unterstrichen, also farbig zu sein, frei zu sein, in gewisser Weise expressiv zu sein, wie bei der Friedlichen Revolution – dem Gewaltapparat etwas ganz anderes entgegenzusetzen…

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